Palmöl erobert den Weltmarkt

Von Lisa Ringhofer · · 2012/06

Innerhalb der letzten zehn Jahre ist der Palmölverbrauch weltweit auf 30 Millionen Tonnen angestiegen. Bleibt der Trend bestehen, wird sich die weltweite Nachfrage nach Palmöl bis 2030 noch verdoppeln und bis 2050 sogar verdreifachen.

Neben seinem wachsenden Potenzial als erneuerbarer Energieträger spielt Palmöl auch zunehmend in der Nahrungsmittelherstellung und in der chemischen Industrie eine bedeutende Rolle. Von Regierungsseite – wie etwa in Indonesien – als „Motor“ ländlicher Entwicklung gepriesen, hat der rasant zunehmende Palmölanbau maßgeblich zur Abholzung des Regenwaldes beigetragen, Ressourcenkonflikte verschärft und zu abnehmender Ernährungssicherheit bei der lokalen Bevölkerung geführt. Die Wachstumsstrategie der EU „Europa 2020“ sieht vor, den Anteil an Agrotreibstoffen im Transportsektor bis 2020 auf zehn Prozent des Gesamtverbrauchs von Benzin und Diesel anzuheben. Während europäischer Raps auf längere Sicht nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, greifen hiesige Agrodieselhersteller bereits jetzt schon zunehmend auf den Import von Soja- und Palmöl zurück. Noch stellt Palmöl als erneuerbarer Energieträger einen kleinen Prozentsatz dar, erfreut sich jedoch wachsender Beliebtheit.

Die rasch ansteigende Nachfrage nach Palmöl auf dem Weltmarkt geht auf dessen vielseitige Verwendbarkeit zurück. Palmöl findet man praktisch überall im Haushalt: ob auf dem Teller, in der Tasse oder im Tiefkühlschrank. Der größte Teil des Palmöls wird von der Nahrungsmittelindustrie verbraucht. Oftmals als „pflanzliche Öle“ ausgewiesen, finden wir Palmöl unter anderem in diversen Backwaren, Margarine oder Fertigpizza. Auch in der chemischen Industrie spielt Palmöl mittlerweile eine wichtige Rolle. Konsumartikel wie Lippenstift, Waschmittel, Seife oder Kerzen werden nahezu ausschließlich auf Basis von Palmöl produziert. Darüber hinaus dient Palmöl als Brennstoff für Kraftwerke zur Stromerzeugung. Bereits 2008 betrug der Anteil von Palmöl an der globalen Öl- und Fettproduktion rund 25 Prozent, Tendenz steigend.

Die ursprünglich aus Westafrika stammende Ölpalme (Elaeis guineensis) gilt aufgrund ihrer Vorteile als besonders attraktiv zur Deckung des steigenden Bedarfs. Im Vergleich zu anderen Ölpflanzen braucht Palmöl am wenigsten Fläche und verursacht die geringsten Kosten pro Output. Auch die Erntemengen sind weit höher als bei anderen Ölpflanzen: durchschnittliche Erträge belaufen sich auf 4.000 Kilogramm Öl pro Hektar und Jahr (zum Vergleich dazu sind es bei Soja 400 Kilogramm). Neben ihrer hohen Produktivität kann die Ölpalme auch Trockenzeiten bis zu drei Monaten ohne Ertragseinbußen überdauern. Palmöl gilt somit auf dem Weltmarkt als kostengünstiges und in großen Mengen verfügbares Pflanzenöl mit beträchtlichem Wachstumspotenzial.

Indonesien ist in den letzten Jahren mit rund 23 Millionen Tonnen pro Jahr zum weltweit größten Hersteller von Palmöl geworden und beliefert gemeinsam mit Malaysia 90 Prozent des Weltmarkts. Von Regierungsseite wird die Palmölindustrie in diesen Ländern als Motor wirtschaftlicher Entwicklung in ländlichen Gebieten gesehen; allein in Indonesien soll es bereits über drei Millionen Beschäftigte in diesem Sektor geben, in Malaysia verschafft die Palmölerzeugung knapp einer Million Menschen ein Einkommen. Die indonesische Regierung plant seit 2009 die Erweiterung des nationalen Ölpalmenanbaus auf ungefähr 22 Millionen Hektar – eine Fläche knapp dreimal so groß wie Österreich. Damit kommt sie den Forderungen der Palmölindustrie und des Verbandes der nationalen Palmölproduzenten entgegen, die bis zum Jahr 2020 eine Produktion von 40 Millionen Tonnen Palmöl planen.

Der regelrechte Palmöl-Boom wirft aber auch einen Schatten. Untersuchungen im Zusammenhang mit Treibhausgasemissionen von Palmölplantagen tendieren zwar zu einer positiven Klimabilanz, sofern tropische Brachflächen mit Ölpalmen bepflanzt werden. Dagegen sehen sie eine eindeutig negative Klimabilanz für die Anlage von Ölpalmenplantagen auf frisch gerodetem tropischem Tiefland-Regenwaldboden. Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) bevorzugen Palmölkonzerne oftmals die Neuanlage von Plantagen auf eigens dafür gerodeten Waldflächen, da somit in der späteren Produktion weniger Düngemittel benötigt werden. Hinzu kommt, dass durch den Verkauf der entnommenen Edelhölzer die hohen Anfangsinvestitionen einer Plantage (ca. 4.000 bis 8.000 US-Dollar pro Hektar) sowie die ertraglose Phase der ersten vier bis fünf Produktionsjahre finanziert werden können.

Prognosen zur Abholzung der Tiefland-Regenwälder in Indonesien sind alarmierend. So geht die Weltbank davon aus, dass auf Kalimantan (Borneo) und Sumatra aufgrund des rasanten Anstiegs der Palmölplantagen sowie der Investitionen in Biodieselraffinerien bis zum Jahr 2022 mit einem Verlust von 98 Prozent der Wälder gerechnet werden muss. Palmöl wird in großflächigen Monokulturen gepflanzt, kleinbäuerliche Strukturen werden dadurch systematisch zurückgedrängt. Die Ausweitung der Ölpalmplantagen produziert aber auch einen „Schneeball-Effekt“: Lokale Kleinbauernfamilien in vielen Teilen Indonesiens sehen sich oft gezwungen, ihren Reisanbau aufgrund der geringen Erträge immer mehr auf Palmöl umzustellen. Somit wird die Nahrungsmittelversorgung vor Ort immer knapper und es kommt zu einem Anstieg der lokalen Preise für Grundnahrungsmittel.

Hinzu kommen die schlechten Arbeitsbedingungen auf vielen Ölpalmplantagen. Dies gilt insbesondere für die Saisonarbeiter und Tagelöhner, die neben Festangestellten auf vielen Plantagen beschäftigt werden. Schätzungen zufolge kommen auf 236.000 PlantagenarbeiterInnen in Nord-Sumatra rund 80.000 GelegenheitsarbeiterInnen, die weniger als zwei Euro pro Tag verdienen und keine soziale Absicherung haben. Weitere knapp 70.000 ArbeiterInnen, meist Frauen und Kinder, die hauptsächlich schlechte Palmfrüchte aufsammeln, erhalten umgerechnet rund einen Euro pro Tag. Zusätzlich birgt die Arbeit auf den Plantagen aufgrund der eingesetzten Pestizide und Dünger erhebliche Gesundheitsrisiken, die in vielen Fällen noch durch Haut- und Augenverletzungen, Schlangenbisse oder die starke Sonnenexposition verstärkt werden.

Landkonflikte stellen eine weitere Problematik dar. In Nord-Sumatra sind schätzungsweise zwei Drittel aller Plantagen in Händen von Großbetrieben, die meist internationalen oder inländischen Investoren gehören. Lokalen Medienberichten zu Folge werden Landtitel teils doppelt vergeben – ein Resultat des oft fehlenden Austauschs zwischen Dorf-, Distrikt- und Provinzebene. Nicht selten sind Bauernfamilien, die ihr Land nicht verlassen wollen, Einschüchterungsversuchen oder gewaltsamen Vertreibungen ausgesetzt.

Weitere Konflikte rund um Land und Wasser drohen durch die erwartete hohe Zuwanderung an Arbeitskräften, wie das Beispiel von Papua (der westlichen Hälfte der Insel Neuguinea, die zu Indonesien gehört) veranschaulicht. Laut Regierungsplänen hat die immer noch waldreiche Insel ein Flächenpotenzial für den Anbau von fünf bis 9,3 Millionen Hektar Palmöl. Würde dies realisiert, wären dafür zusätzlich zur gesamten lokalen Bevölkerung rund 1,75 Millionen Arbeitskräfte nötig.

Aufgrund der zunehmenden Kritik an der Palmölproduktion in den letzten Jahren wurde 2004 der so genannte Runde Tisch für Nachhaltiges Palmöl (Roundtable on Sustainable Palm Oil – RSPO) ins Leben gerufen. Der RSPO ist ein weltweiter Zusammenschluss von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen mit dem Ziel der Durchsetzung nachhaltiger Anbaumethoden für Palmöl. Dafür wurden Prinzipien und Kriterien festgelegt, um unter anderem die Einführung von Mindeststandards zum Schutz der PlantagenarbeiterInnen sowie das Recht aller ArbeiterInnen auf Mitgliedschaft bei Gewerkschaften zu garantieren. Ein Zertifizierungssystem soll die Einhaltung der Prinzipien und Kriterien sicherstellen.

Kritik an dieser Initiative kommt vor allem von Seiten der Umweltorganisationen, die dem RSPO „Greenwashing“ vorwerfen. Außerdem sei ein „nachhaltiger“ Anbau von Palmöl auf großflächigen Monokulturplantagen per se nicht möglich, so die Argumentation von Greenpeace. Bei näherer Analyse der Zusammensetzung des RSPO Gremiums – über 90 Prozent der Mitglieder sind Wirtschaftsunternehmen – liegt die Annahme nahe, dass der RSPO in erster Linie ein Forum zur Durchsetzung von Industrieinteressen darstellt.

Lisa Ringhofer ist Soziologin. Sie koordiniert derzeit das Modul „Natur“ des Interdisziplinären Universitätslehrgangs für Höhere Lateinamerika-Studien der Universität Wien und des Österreichischen Lateinamerika-Instituts.

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